Was war so los in der Pause?

Die letzten Tage vor der “Pause” waren geprägt von der klassischen Feststellung, dass ich das wollte, was ich länger nicht bekommen hatte: In Hamburg bleiben.

Dort erst einmal zu Ruhe gekommen, stellte ich fest, dass ich endlich die Sachen machen konnte, die es (von) hier (aus) zu erledigen gab: mein Studio weiter ausbauen, ein breiteres Bett kaufen, und reisen (was zugegebenermassen im Gegensatz steht zum in-Hamburg-bleiben).

Nach einem Urlaub mit meiner Freundin Anna auf La Reunion ging es nach Madagaskar. Das Land mit den ungewöhnlichen Tieren und den roten Strassen ist nur zwei Flugstunden von La Reunion entfernt und trotzdem fliegt man von der Eurozone nach Afrika. Während Anna tapfer einen Lang(weilen)streckenflug über Paris nach Hamburg absolvierte, erwartete mich in Tana, der Hauptstadt Madagaskars ein kühles “Three Horses” aus der Dose, überreicht von Ingo und Benny, meinen Reisebegleitern der nächsten zwei Wochen. Benny Adrion, Gründer von Viva con Agua hatte mich ziemlich kurzfristig gefragt, ob ich an einer Projektreise teilnehmen möchte, in der die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit der Welthungerhilfe und Viva con Augua im Süden Madagskars greifbar werden.

Auf dieser Reise war ich quasi das mittlere Kind: Benny übernahm die Reiseverantwortung und Ingo streichelte ständig alle (!) madagassischen Tiere.

Zurück in Hamburg erfreute ich mich unseres umgebauten Studios. Ein zuvor grotesk anmutendes Lager haben wir in zwei Räume umbauen lassen, wobei man in einem der beiden sogar nachts laut sein darf.

Gesagt getan, und mein Freund Robin schleppte kurzerhand zwei Brüder und deren besten Freund an.

“Bros!” dachte ich. Die englische Band aus den 80er Jahren wurden in britischen Bars auch “Two brothers and the other guy” genannt, wobei allein die Personenbezeichnung “the other guy” wohl noch heute einigen Engländern ein Begriff sein soll.

Aber es waren nicht Bros sondern “Emma6″ aus Heinsberg in der Nähe von Köln.

“Unser erstes gemeinsames Projekt!” jubelte Robin. Mittlerweile hinzugekommen: Ali, Robins langjähriger Mitbewohner und ebenfalls mit im Boot. Die drei Alten und die drei Jungen. Ying und Yang. Herrlich.

Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine fruchtbare Liedschreibergemeinschaft, die noch heute, wenn sie geschlossen von einem Raum in den anderen möchte um sich dort z.B. ein Lied anzuhören, eine Polonaise bildet. Ohne Musik.

Man kann es irgendwie nicht erklären.

Ich war noch ganz beseelt von der Menschenkette im Studio , als Anna mich später fragte, ob ich schon einmal in Istanbul gewesen sei..

So besuchten wir Ayse, die türkische Sprechstimme von Judith, die auf irgendeiner unser überdrehten Filmchen ihre Muttersprache zum besten gibt und ihren Mann Robin, der nichts mit dem fleischgeworden Polonaise-Kettenglied Robin aus dem Studio zu tun hat. Vielmehr trägt Türkei-Robin seinen fleischgewordenen kleinen Sohn auf den Schultern. Die beiden Hamburger verbrachten drei Monate in der Heimat von Ayse und gewährten uns ein paar Tage Einblick in den Bosporus. Auch wenn wir nahe am Galata-Turm wohnten und damit quasi im Künstler- und Musikerviertel, habe ich mich nicht dazu durchringen können, ein türkisches Instrument zu kaufen. Daheim warten noch zu viele unaussprechliche persische Klangwerkzeuge, die es zu beherrschen gilt und die im Moment noch Staub fingen.

Irgendwie hatte ich dort sowieso nur den Blick für Köfte. Robin, ähnlich gestrickt, nur in einer im Gegensatz zu mir drei Monate währenden Nahrungs-Schleife, lotste mich durch die Gassen der alten Stadt zu seinen kulinarischen Geheimtips.

Istanbul. Immer. Essen.

Zurück in Hamburg ging es wieder ins Studio. Polonaise und Musik. Dieses Mal auch mit Ingo aus Madagaskar, Timur, dem Schwager eines Fußballfreundes und Klaas, einem Weggefährten von Robin, Ali und mir, der in Berlin wohnt und immer nach Hamburg ziehen möchte, aber nicht darf.

Durch dieses ganze Schrabbeln und Schreiben ist die Zeit scheinbar an mir vorbei gerast.

Auch wenn es noch weitere Reiseziele in dieser “Pause” gegeben hat, so war ich dennoch befriedigend lange in Hamburg. Ich grüße mittlerweile die Ladenbesitzer in der Strasse und komme mir langsam bescheuert vor, im Gloria immer das gleiche Heißgetränk auf dem Weg Arbeit zu bestellen. Ich habe schon versucht, die Satzmelodie zu ändern oder mir einen Bart stehen zu lassen – es bleibt die gleiche Bestellung. Und so beschleicht mich die Vermutung, dass ich wieder das haben will, was ich (noch) nicht habe:

Tourkaffee.

Und ein breiteres Bett habe ich immer noch nicht gekauft…